Der Widerrufsjoker scheint wieder da zu sein!
Ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs besagt, dass Darlehensverträge eindeutige Hinweise bei den Widerspruchsfristen beinhalten müssen. Jedoch ist das bei einem Großteil der Darlehensverträge in Deutschland nicht der Fall.
Da es sich bei den Widerrufsbelehrungen der Banken um Mustertexte handelt, ist die Formulierung sehr wahrscheinlich in Millionen Verträgen enthalten.
In der Widerrufsbelehrung muss ein eindeutiger Fristbeginn angegeben werden. Die einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen ist geregelt in § 355 Abs. I BGB.
Ähnlich war die Rechtslage bereits vor einigen Jahren, als Millionen Darlehensverträge widerrufen wurden, weil die Widerrufsbelehrung fehlerhaft war und die Verbraucher zum Widerruf der Verträge auch weit nach Ablauf der vermeintlichen Widerrufsfrist berechtigt waren.
Unsere Kanzlei hat sich über Jahre erfolgreich mit der Prüfung von Widerrufsbelehrungen von Immobiliendarlehensverträgen befasst.
Widerruf iSv § 355 I ist die Rücknahme der auf den Vertragsabschluss gerichteten Willenserklärung.
Ziel eines Widerrufes ist die Rückabwicklung des Darlehensvertrages, was bedeutet, dass beide Parteien so gestellt werden müssen, als hätte der Vertrag nicht bestanden.
Nicht immer ist eine komplette Rückabwicklung und eine damit verbundene Rückzahlung der Darlehenssumme inkl. Überhöhten Zinsen gewünscht, zumal dies bei der millionenfachen Vielzahl von fehlerhaften Widerrufsbelehrungen für die Banken und Sparkassen auch gar nicht möglich wäre.
Ziel wäre zum Beispiel auch eine mögliche Umschuldung zu einem neuen, niedrigeren Zinssatz oder aber auch eine vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrages, beispielsweise dann aber ohne Zahlung einer sonst entstehenden Vorfälligkeitsentschädigung.
Auch bereits beendete Verträge lassen sich noch im Nachhinein widerrufen und es lässt sich eine eventuell bereits geleistete Vorfälligkeitsentschädigung zurückverlangen.
Die Zinsen für Kredite sind zur Zeit extrem niedrig, insbesondere für Immobiliendarlehensverträge. Von diesen niedrigen Zinsen würden viele Darlehensnehmer profitieren, obwohl ihre Verträge noch an die vor der Niedrigzinsphase geschlossenen Darlehensverträge gebunden sind.
Es besteht nunmehr die Möglichkeit, sich leichter von diesen teuren Altverträgen und anderen Verbraucherdarlehensverträgen lösen zu können.
Grund dafür ist ein weitreichendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Es ermöglicht den Widerruf und damit das vorzeitige Beenden vieler Verbraucherverträge, die auch nach dem Juni 2010 geschlossen wurden. Vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes galt Juni 2010 als Stichtag bezüglich eines möglichen Widerrufes von Darlehensverträgen.
Hintergrund der Entscheidung des EuGH ist folgender: Ein Mann aus Saarbrücken wollte sich von seinem im Jahre 2012 geschlossenen Immobiliendarlehensvertrag lösen. Ende Januar 2016 hatte er dazu den Widerruf erklärt und begründete diesen damit, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei. Dies würde bedeuten, dass er nie wirksam über sein Widerrufsrecht belehrt wurde und deshalb die 14-tägige Widerrufsfrist noch nicht abgelaufen und ein Widerruf immer noch möglich sei. Gegen sofortige Zahlung der noch zu tilgenden Darlehenssumme von rund 66.000 Euro verlangte er die Rückabwicklung des Vertrags. Zu dieser gehört auch die Rückzahlung bereits gezahlter Zinsen – bei einer Darlehenssumme von 100.000 Euro und einem Zinssatz von 3,61 Prozent kein kleiner Betrag.
Die Darlehensgeberin, eine Sparkasse, hielt den Widerruf jedoch für unwirksam. Insbesondere sei die Widerrufsfrist von 14 Tagen bei dem 2012 abgeschlossenen Vertrag im Jahr 2016 längst abgelaufen.
Diese Formulierung ist unzureichend, entschied der Europäische Gerichtshof. Grundlage dieser Entscheidung ist die EU-Richtlinie 2008/48, die das Widerrufsrecht regelt.
Danach muss der Verbraucherkreditvertrag in klarer, prägnanter Form:
- über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufsrechts informieren.
- die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts und die Bedingungen für ihre Berechnung nennen.
- andere Bedingungen für die Ausübung des Widerrufsrechts angeben.
Weitere wichtige Erkenntnis:
Verweise auf Paragrafen im Vertrag ungenügend.
Die im streitigen Fall genannte Widerrufsbelehrung verweist auf § 492 Abs. 2 BGB. Dieser Paragraf verweist wiederum auf Art. 247 §§ 6 bis 13 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB), der wiederum auf Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verweist – diese Verweise sind vergleichbar mit einem Wasserfall. Dies ist alles andere als klar und prägnant!
(Kaskadenverweisung)
Laien können bei solchen Verweisen nicht bestimmen, wozu sie vertraglich verpflichtet sind. Man muss immer davon ausgehen, dass der Verbraucher in der Regel keine kaufmännische Grundausbildung genossen hat!
Und aufgrund dieses fehlenden Wissens können sie auch nicht überprüfen, ob der Vertrag in dieser Form alle nach dem Gesetz erforderlichen Angaben enthält.
Das gleiche gilt auch für Leasingverträge. Die vom europäischen Gerichtshof deutlich gemachten Anforderung an die Klarheit der Widerrufsbelehrung gelten für (private) Fahrzeugfinanzierungen, die insbesondere Autobanken anbieten.
Sollten Sie also als Verbraucher einen Immobiliardarlehensvertrag der einen anderen Darlehensvertrag (ohne Verbindung zu einem Kaufvertrag oder Leasingvertrag) abgeschlossen haben, so lassen Sie die Widerrufsbelehrung gerne von uns prüfen.
Gerne können wir ein unverbindliches Gespräch vereinbaren und Einzelheiten Ihres Darlehensvertrages in einem persönlichen Telefonat besprechen.